Besuch beim Dalai Lama
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Indien: Mandy mit indischer Sikh Frau | Indien: Neugierige Inder wollen unser Fahrrad ausprobieren |
Indien: In Daramsala sind alle Gedanken auf ein (freies) Tibet gerichtet | Indien: Hier gibt es leckere Schokopfannkuchen |
Eindrücke aus Delhi
Super: Alles hat mit unserem chinesischen Visum geklappt! Wir bekommen sogar 4 Monate Aufenthaltserlaubnis für China in unseren Pass gestempelt! Das ist toll, denn wir denken nun, dass wir wohl genug Zeit haben werden, um Tibet komplett durchqueren zu können.
Als wir unser chinesisches Visum in den Händen halten, ist auch so langsam die Zeit gekommen, wieder weiterzufahren. Zugegeben, Delhi hat uns besser gefallen als erwartet, nach all den vielen Schauergeschichten, die wir bislang gehört hatten. Viele Teile von Delhi wirken zwar nicht Multikulturell, aber zumindest recht modern, wurde doch Neu Delhi auch von den Briten angelegt. Wir haben Lust auf Kino und fahren einen Abend mit der niegelnagelneuen, angeblich zweitschnellsten U-Bahn der Welt komfortabel zum Kinokomplex, um uns dort "Shrek 3" anzusehen. Wir geniessen die Zeit im klimatisierten Kino mit Popcorn und Cola und vergessen fast, dass wir in Indien sind. Erst spät in der Nacht, als wir mit dem Dreiradtaxi ins Hotel zurück fahren, ist unser Ausflug nach Europa beendet. Wir sehen hunderte, wohl tausende von Menschen, die neben der Strasse, auf der Strasse oder in ihren Fahrradrickschas schlafen, neben den Kuehen, ohne Bett, einfach im Dreck. Wir fragen uns wieder einmal, wohin wohl das ganze Geld der "aufstrebenden Wirschaftsmacht" versickert und können ueber solche Schlagzeilen nur noch müde lächeln.
Zurück in den Rüpelverkehr
Für uns ist in Delhi alles getan, also geht es wieder aufs Rad. Der Verkehr ist schrecklich, wie bekloppt rasen die Inder in ihren Autos wie wildgewordene Horden knapp an uns vorbei. Und auch als wir uns von Delhi immer mehr entfernen, nimmt der Strom von Privatautos kaum ab. Wir merken schon dass wir so langsam wieder in Richtung des Punjab kommen, eine der modernsten Regionen Indiens. Privatautos gibt es nämlich ausser in den Megagrossstädten in Indien kaum - ausser im entwickelten Punjab, wo fast jede Familie ein Auto hat, was das Fahren für uns nicht angenehmer macht, im Gegenteil. Nach 3 recht ereignislosen Tagen erreichen wir Chandigarh, eine weitere moderne Insel im Drittweltland. Chandigarh hat breite, grüne Strassen und wurde von LeCorbusier, einem französichen Architekten entworfen als neue moderne Hauptstadt des Punjab. In einem Steingarten treffen wir moderne indische Familien, und ein alter Sikkh, Touristenführer aus Gastfreundschaft, führt uns durch die Elephanten-, Elch- und sonstigen Steinskulpturen.
Indien: Dieser Sikh zeigt uns welche Touristen er hier betreut hatte | Indien: Wir erreichen den Fuss des Himalayas |
Indien: Zu Gast bei freundlichen deutschsprachigen Sikhs | Indien: Esel werden über die Strasse getrieben |
Wir lieben die Sikkhs
Als wir Chandigarh verlassen sticht uns folgendes Schild in die Augen:"Welcome to Punjab". Lange schon haben wir uns auf diese Region Indiens gefreut, da die Menschen hier so besonders freundlich zu uns waren. Doch als wir Abends ein Zimmer in einem kleinen Hotel nehmen wollen, haben wir den Eindruck, dass Sie uns über den Tisch ziehen wollen und uns einen völlig exorbitanten Preis nennen. Es ist schon dunkel, als wir im nächsten Ort sind, und nicht wissen, was wir nun tun sollen, da kommt wie aus dem nichts ein Motorrad herangefahren. Die beiden jungen Männer sagen mit extrem geborochenem Englisch: Darf ich euch bitte weiterhelfen? Zuerst sind wir skeptisch, doch wir lassen uns auf sie ein. Und prompt sitzen wir zusammen mit ihnen in ihrem Büro - Sie sind Motorradhändler - und sie laden uns ein auf Cola, vegetarische Burger und anschliessend auf Süssigkeiten. Ein Kumpel von Ihnen kommt vorbei, der schon mal in Deutschland war. Wie sich herausstellt, hat Tari 5 Jahre in Wuppertal gelebt, und er läd uns zu sich nach Hause ein!
Tari und seine Frau Sonira bieten uns sogar an, noch einen Tag bei Ihnen zu bleiben, und da wir uns bei Ihnen sehr wohl fühlen, nehmen wir das Angebot gerne an. Es ist schön mal wieder auf deutsch zu sprechen, besonders, wenn man dabei noch so sehr verwöhnt wird wie von den beiden. Tari hat es in Deutschland wie er sagt sehr gut gefallen, doch schon seit 5 Jahren ist er wieder zurück in Indien, und vielleicht wollen seine Frau und er versuchen, nach Australien auszuwandern. Als wir am nächsten Tag weiterfahren, fragen wir in der nächsten grösseren Stadt 70 Kilometer weiter nach einem Sikkhtempel, wo wir sehr freundlich aufgenommen werden. Wir unterhalten uns zuerst eine Weile mit dem Guru und einigen Pilgern, dann bekommen wir ein schönes, grosses, sauberes Zimmer. Und obwohl wir sowieso im Tempel zu Abend essen können, kommt noch jemand vorbei, um uns Bananen und Chips zu bringen. Bei unseren fast ausnahmslos schönen Erlebnissen wie diesem geht uns das Herz über: Wir lieben die Sikkhs!
Indien: Kontaktgruppe von tibetischen Flüchtlingen und von Touristen in Daramsala | Indien: Kontaktgruppe von tibetischen Flüchtlingen und von Touristen in Daramsala |
Indien: Hier in Daramsala gibt es auch auf der Strasse leckere Snacks | Indien: Die Werbeschilder an den Läden in Indien sind ganz oft bemalt |
Auf zum Dalai Lama
Der Weg zum Erleuchteten hat es für Radfahrer in sich, da wir immerhin 1700 Höhenmeter erklimmen müssen, um den Exilsitz seiner Heiligkeit und vieler tausender Tibeter in Mc Leod Ganj zu erreichen. Am Wegesrand stehen unzählige indische Toastbrotverkäufer, die indischen Touristen Toastbrot verkaufen. Warum? Wir brauchen einen Moment, doch als wir endlich ein Stück weiter oben die possierlich lauernden Affenhorden entdecken, geht uns ein Licht auf. Sie brauchen nur noch ihr Maul aufzusperren und schon fliegt ihnen eine Toastbrotscheibe hinein. Toastbrotfrisbee! Wir amüsieren uns köstlich, bis sie sich während unserer Obstpause auch an unsere Melone heranschleichen wollen! Benny verteidigt jedoch diese energisch mit dem Stativ und erntet bleckende Zähne und empörtes Grunzen. Länger als gedacht brauchen wir lezten Endes, da es auf dem Weg zum Exilsitz einige Mal nach mühselig 500 erkämpften Höhenmetern gleich mal wieder 500 runter geht, und abgekämpft erreichen wir erst gegen Abend des 29. Juni unser Etappenziel McLeod Ganj, auch Upper Daramsala genannt.
Auf den ersten Blick wirkt der Ort fast gemütlich. Ein bunter Mix aus Tibetern, Westlern und Indern tummelt sich auf den Strassen. Es gibt die üblichen touristischen Souvinirs, aber auch buddhistische Gebetsutensilien zu kaufen, und ein einladendes Cafe reiht sich an das nächste. Wer will, kann die unterschiedlichsten Kurse besuchen, z.B. tibetisch kochen oder Silber schmieden lernen, oder man kann Buddhismus zusammen mit den Mönchen studieren. Die meisten Tempel sind in moderne Architektur gehüllt, in denen unzählige Mönche in rot-braunen Gewändern ein und aus gehen. Doch viele junge Toristen zieht es ins etwas höher gelegene Örtchen Bagsu, wo es ein grosses Kursangebot gibt und auch gemütlich Joints in Cafes geraucht werden, in denen bis in die Nacht Musik gemacht wird. Uns gefällt die entspannte Atmosphäre, und mit Sicherheit kann man schnell und lange hier versacken, doch wir wollen mehr über Tibeter wissen. Wir führen viele Gespräche mit geflohenen Mönchen und Tibetern eines Englischkurses, lesen "Tibet Today" und erhalten viele Informationen, die wir gerne mit euch teilen wollen.
Seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ist dieses kleine Dörfchen McLeod Ganj im Norden Indiens der Wohnort des Dalai Lama und unzähliger Tibeter, die aus ihrem eigenen Land seit der Besetzung durch die Chinesen geflohen sind und immer noch fliehen. Jeden Monat kommen ca. 50 neue Flüchtlinge an, die den schwierigen Weg von China nach Nepal illegal über die Berge geschafft haben, da ein Visaantrag sie ins Gefängnis bringt. Zahlreiche Gründe treiben immer noch viele aus ihrem eigenen Land.
Indien: Aussicht von Daramsala | Indien: Wir fahren vorbei an Hindutempel |
Indien: Neugierige Sikhs in Punjab | Indien: Wir machen Pause in Punjab und bekommen kaltes Wasser angeboten |
Wie lange wird es noch Tibeter in Tibet geben?
Die chinesische Regierung besiedelt das tibetische Hochland der 6 Millionen Tibeter systematisch mit chinesischen Siedlern, und siedelte erst kürzlich 250 000 Tibeter aus entlegenen Regionen an Hauptstrassen um, wo sie kein Weideland für ihre Tiere und auch kein Land zum bewirtschaften mehr haben. Statt dessen werden sie gezwungen, pro Familie einen Kredit von ca. 6000 Euro für ihr neues Heim aufzunehmen, den sie noch Jahrzehnte abzahlen müssen. Wenn sie Glück haben, finden sie eine schlecht bezahlte Arbeit als Strassenverkäufer, die ihnen zunehmend von der steigenden Anzahl der Chinesen streitig gemacht wird. Tibtische Frauen vermeiden es tunlichst einen Arzt aufzusuchen, da sie Angst haben, zwangssterilisiert zu werden, und erzwungene Abtreibungen stehen auf der Tagesordung.
Folter an der Tagesordnung
Viele Mönche werden, weil sie ihre Religion praktizieren, ins Gefängnis geworfen und gefoltert, viele sogar umgebracht. Die chinesische Regierung baute zwar einige zerstörte Klöster wieder auf, gewährt aber nur wenigen Mönchen die Ausbildung dort. Mehrmals im Jahr müssen die Mönche an Regierungsprogrammen teilnehmen, die ihnen einbläuen, das Religion schädlich sei, gemäss Maos Motto: "Religion ist Gift". Der Besitz von Bildern des Dalai Lama ist strengstens verboten und viele Tibeter lernen erst im Exil ihre eigene Sprache und Kultur richtig kennen und schätzen, denn in ihrer Heimat wird ihnen beigebracht, dass ihre Kultur und Sprache minderwertig sei.
Die Bahnstrecke Peking-Lhasa ist eröffnet und bringt neben den vielen neuen Siedlern und Touristen noch weitere schlimme Auswirkungen mit sich. Laut Aussage vieler Tibeter wurde die Strecke vor allem gebaut, um die zahlreichen Bodenschätze des Himalayas auszubeuten, an denen es China mangelt. Jetzt beginnt erst das richtige Geschäft, an deren Profit leider auch viele westliche Firmen teilhaben und dabei auch das empfindliche Ökosystem Tibets zunehmend zerstören werden.
Indien: Sikh Pilger am goldenen Tempel in Amritsar | Indien: Frauen am goldenen Tempel in Amritsar |
Indien: Sonnenuntergang am goldenen Tempel in Amritsar | Indien: Verköstigung der Pilger am goldenen Tempel in Amritsar |
Kusang Tenzin
Eine der wohl beeindruckensten Personen, die wir auf unserer Reise getroffen haben, ist der 21-jährige Tibeter Kusang Tenzin. Im Alter von nur 7 Jahren organisierten ihm seine Eltern die Flucht nach Indien, illegal versteht sich. Ein Führer bekommt Geld, um die Flüchtlinge sicher über die Berge bei Nacht und Nebel nach Nepal zu bringen. Je nach Wetterbedingung kann dies eine Woche bis zu einem Monat dauern, immer in der Gefahr, von chinesischen Soldaten entdeckt zu werden oder an Erfrierung zu sterben. Nachdem er im Auffanglager in Nepal angekommen war, führte ihn sein Weg nach Mc Leod Ganj ins tibetische Kinderdorf, wo er bis zur 10.Klasse mit ca. 45 anderen Kindern im Schlafsaal wohnte und von einem Elternpaar betreut wurde. Zur Zeit arbeitet er an seiner Abschlussarbeit des Studiums der Fächer Politik, Wirtschaft, Geschichte, Englische Literatur und Fotografie.
Am 8. Mai 2007 gründete er die Schule "Hope Education Center" und finanziert das ganze aus eigenen Mitteln und auch mittels Spenden von Studenten und freiwilligen Helfern. In seiner Schule bietet er Englischkurse an, an denen wir auch versucht haben mitzuhelfen, um schlecht ausgebildeten Tibetern den Zugang zur Englischen Sprache zu ermöglichen, die ihren Horizont und später ihre wirtschaftliche Situation verbessern soll. Gemäss des Mottos: "Global denken - lokal handeln" hofft er, eines Tages in einem freien Tibet zu leben, und gründete mit dieser Motivation diese Schule. Seine groesste Angst ist die zunehmende Verwestlichung der tibetischen Kultur, was vor allem die jüngere Generation betrifft. Auch fürchtet er den Tag, an dem der Dalai Lama stirbt. Die chinesische Regierung hat den von ihm ernannten Nachfolger gekiddnappt und keiner weiss was mit ihm passiert ist. Die Chinesen wollen wohl einen eigenen Nachfolger ernennen, der chinesisch denkt, spricht und lenkt.
Abschied aus Indien
Und so hat unsere eigentlich schöne Zeit in Daramsala auch einen etwas traurigen Unterton, bei all den schrecklichen Dingen, die wir über das Schicksal der Tibeter erfahren. Um so beeindruckender ist es daher für uns, was für lebenslustige und fröhliche Menschen die Tibeter vielfach doch sind. Daher fällt uns der Abschied auch nicht leicht aus Daramsala, und wir sind schon gespannt wie es in Tibet vor Ort sein wird.
Unsere letzten Etappen führen uns über zuerst 100 hügelige und dann 100 flache Kilometer nach Amritsar. Rechts und links der Strasse stehen in Massen bis zu 3 Meter hohe Hanfpflanzen, für die sich in Indien fast niemand interessiert. Die Inder besuchen lieber "English Wine and and Beer Shops". Wir philosophieren ein wenig, wie es wohl in Deutschland nach der Legalisierung von Marihuana wäre: " Jetzt in Bild der Frau: Osterlamm mal anders! Wir empfehlen Ihnen dieses Jahr als Füllung einen pikanten Mix aus Hanfblättern und Bärlauch, fein abgeschmeckt mit einer Senf-Sahne-Sosse. Das wird auch ihrer verkorksten Familie ein entspanntes Lächeln auf die Lippen zaubern!" Wie zu Beginn unserer Indienreise lassen wir uns auch dieses Mal von der magischen Atmosphäre im Goldenen Tempel verzaubern, und nehmen am nächsten Tag mit lachenden Augen Abschied von 6 Monaten in Indien und fahren gespannt nach Pakistan.
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