Bericht 39: Einmal Richtung Tibet und zurück

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Kashgar, die Zweite (01. Sep- 03. Okt)

  • 01.09.07 Kashgar
  • 02.09.07 Kashgar - Keshigemubasi 115 km
  • 03.09.07 Keshigemubasi - Shache 82 km
  • 04.09.07 Shache - Yecheng 88,5 km
  • 05.09.07 Yecheng - Pusa 57,8 km
  • 06.09.07 Pusa - Pusa/Kudi Pass 46,7 km
  • 07.09.07 Pusa/Kudi Pass - Kudi 29,2 km
  • 08.09.07 Kudi - Xaidulla Pass 36,8 km
  • 09.09.07 Xaidulla Pass - Kashgar - (per Taxi)
  • 10.09. - 02.10. Kashgar
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Westchina - Trampelt ja nicht über unsere Ausrüstung! Xingjiang, China - Treiben in den Gassen von Kashgars Altstadt
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Einheimischer im äußersten Westen von China Xingjiang, China - nette Einheimische bei Restaurantbesuch

Einmal Richtung Tibet und zurück - entlang der Takla Makan Wüste

Schwer beladen mit Nahrungsmitteln wie Haferflocken, Trockenfrüchten, Tofu und anderen Leckereien schiebt uns ein guter Wind sanft aus Kashgar Anfang September heraus, der uns hoffentlich länger treu bleibt. Unzählige Menschen mit Eselskarren, schwer beladen mit Ernterzeugnissen oder Familienmitgliedern strömen in die Stadt, denn heute ist Markttag und jeder hofft auf ein gutes Geschäft und tauscht Neuigkeiten mit Verwandten und Freunden aus. Wir radeln entlang der grössten Wüste der Erde, der Takla Makan, die uns heute wohlgesonnen ist und uns mit einer warmen Brise verwöhnt, während die Berge rechts neben uns kleine Bäche wie zum Trotz Richtung Wüste entsenden.

Die Menschen dieser unwirtlichen Provinz Xinjang im Westen Chinas sind grösstenteils Uighuren, die traditionell das karge Land bewirtschaften oder Viehzucht treiben. Mehrere kleine Bewässerungskanäle säumen die Pappelalleen entlang des Weges und immer wieder überholen wir unzählige Holzkarren, die von starken Eseln gezogen werden. Die dreihundert Kilometer bis zur Stadt Yecheng, wo der Abzweig nach Tibet ist, radeln wir relativ zügig auf meist relativ guten Strassen, die zum Teil aber durch katastrophale Schotterpistenbaustellen durchbrochen sind. Die erste Nacht finden wir nur schwer einen Zeltplatz, da entweder die flache Landschaft keinen Sichtschutz bietet oder wir uns schwer tun, Menschen zu fragen. Nach der Anonymität im Hotel haben wir uns an ein ruhiges Zimmer gewöhnt, in das niemand neugierig reinschaut, denn die Uighuren erleben wir als recht neugieriges Völkchen, die vieles mit den Händen "begreifen". Doch wir überwinden uns und dürfen lieberweise auf dem Betriebsgelände einer Busfirma zelten, die uns sogar mit Abendessen bewirten! Wie lieb!

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Xingjiang, China - In der Taklamakan Wüste zieht ein Sturm auf China: Zusammen mit den Radfahrern Kurt und Nathalie in Richtung Tibet
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Xingjiang, China: Kurze verschnaufpause in den Serpentinen China - Schafe werden auf Tiertransporter geladen

Nachts sind fast alle Katzen grau...

Die Stadt Yecheng bereitet uns schweres Kopfzerbrechen, da von dessen Abzweig nach Tibet in den letzten Monaten vereinzelt Radler zurückgechickt wurden. Tagelang überlegen wir, ob wir bei Tag oder bei Nacht den Abzweig nehmen sollen. Wir entscheiden uns für eine Nachtfahrt, da wir hoffen, in der Masse der Einheimischen halbwegs unsichtbar zu bleiben, vor allem für die Polizei. Bevor wir in die Stadt fahren, rasten wir noch kurz an einer Tankstelle, trinken heissen Kaffee aus unserer Thermoskanne und stärken uns mit Schokolade, da eine lange Nacht vor uns liegt. Zunächst radeln wir in der Dunkelheit mit einheimischen Radfahrern, Dreiradfahrern und Eselskarren in die Stadt herein und fahren wie alle Verkehrsteilnehmer ohne Licht. Unser Plan geht aber nur zum Teil auf, da in der gut beleuchteten Stadt uns schnell die Einheimischen auf ihren Gefährten entdecken und uns durch ihre Neugier fast in den Verfolgungswahn treiben. Immer wieder halten wir an, um neugierige Augen loszuwerden und wie durch ein Wunder erreichen wir endlich ohne Polizeieskorte den Kilometerstein 0, vor dem wir rechts nach Tibet abbiegen. Ein komfortabel aussehendes Hotel lässt uns noch witzeln, dass wahrschienlich andere Radler dort schon jetzt, gegen 22 Uhr friedlich schlummern und der Gedanke ist verlockend. Doch wir widerstehen und haben nun noch satte 60 Kilometer vor uns, die wir laut Tipp von dem erfahrenen Tibetradler Janne Korax (Link) noch Nachts machen sollten. Jan war sage und schreibe schon 11 Mal in Tibet.

Begegnung mit der Polizei

"Wir sind tatsächlich auf der Strasse nach Tibet", jubeln wir innerlich, jetzt nur noch 60 Kilometer strampeln und wir sind fürs erste in Sicherheit. Weiter geht es zuerst vorbei an dem Rotlichtviertel der Stadt, dann endlich sind wir raus aus der Siedlung und wir fahren auch weiterhin ohne Licht. Obwohl die Strasse flach aussieht, steigt sie langsam an, was wir Dank unseres Höhenmeters sehen. Vereinzelt kommen uns immer wieder Lastwagen entgegen, deren Scheinwerfer wir schon viele Kilometer entfernt leuchten sehen, der Puls beginnt zu rasen, doch wir sind beruhigt, da beide Fahrbahnen durch einen breiten Mittelstreifen getrennt sind und wir nur ein wenig von dem Leuchtkegel erfasst werden. Dann der Schock: Vor uns auf dem Mittelstreifen parkt ein Polizeiauto, das Innere des Wagens ist Dunkel, was sollen wir tun? Wir geben Gas, dann plötzlich erfasst uns kurz der Scheinwerfer- bye, bye Tibet denken wir. Nein, wir wollen nicht zurück, denken wir, geben Gas und fahren in der Dunkelheit auch noch mit lautem Getöse einen Verkehrskegel um. Das wars. Wir halten an, doch immer noch regt sich nichts, keine Sirene ertönt, und auch kein Lautsprecher fordert uns auf, anzuhalten, so dass wir uns schnell versichern, dass uns keine Tasche abgefallen ist und wir in die Pedale treten. Wir fahren noch bis zum Kilometerstein 20 mit Vollgas, dann ist Mitternacht und wir sind durch die ständige Dunkelheit und die Anspannung müde und erschöpft, insgesamt 80 Kilometer sind wir heute schon geradelt, und bis zum Kilometerstein 60 müssen wir noch.

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Auf dem Weg in Richtung Tibet kommen uns die Tandemfahrer Maggi und Chris entgegen, die umkehren müssen da ihnen die Pässe fehlen. Nach nettem Gespräch fahren wir weiter in Richtung Tibet - und wissen noch nicht, dass wir sie in wenigen Tagen in Kashgar wieder treffen werden... China, Ende 2007: Die Strecke Kashgar - Lhasa ist auf 1.500 von 3.000km nicht asphaltierte Holperpiste
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Unser letztes Zeltlager am 8. September auf 3.800 Metern Höhe auf

dem Weg in Richtung Xaidulla Pass. Wir geniessen noch einen netten Campingabend mit unseren schweizerischen Begleitern, bevor wir am nächsten Tag umkehren müssen.

China, Strecke Kashgar - Lhasa: Hund nagt an Hühnerköpfen

Biwak in der Wüste

Wir gönnen uns zwei Stunden Schlaf auf unseren Matten in einer Bodensenke und schlafen wie Steine, bis um zwei Uhr nachts der Wecker klingelt. Mittlerweile ist der Mond aufgegangen und spendet uns Licht, so dass wir unsere Beleuchtung nicht anschalten. Doch leider leuchtet er nicht hell genug: PÄNG! macht es auf einmal in der Stille der Nacht. Was war das? Oh nein! Wir sind gegen einen Ziegelstein gefahren, der mitten auf der Strasse lag. Er muss wohl von einem Traktor oder Transporter runtergefallen sein. Die Befestigung von Transportgütern lässt ja in Asien sowieso meist zu wünschen übrig. Gottseidank ist nichts passiert, und wir können weiterfahren, aus Angst entdeckt zu werden weiterhin ohne Licht. Es ist immer noch Nacht, fast sind wir schon wieder eingeschlafen auf unserem Fahrrad. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich nun auf ein Armee-Lager. Wird uns jemand anhalten? Nein - unsere Sorgen sind wohl unbegründet. Wir radeln munter weiter. Und wieder macht es PÄNG! Der zweite Ziegelstein! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wie kann das nur sein, dass man genau in diesen blöden Stein reinfährt, der mutterseelenallein auf der Strasse liegt, und das auch noch zwei mal hintereinander in einer Nacht? Zum Glück ist scheinbar wieder nichts passiert. Von der Ladung Ziegelsteine kann jedenfalls nicht viel im Zielort angekommen sein. Wir haben jedenfalls genug und machen jetzt das Licht an.

Schon vier Stunden am Stück radeln wir, als wir endlich bei Kilometermarker 60 ankommen. Wir kaufen noch schnell in einem Dorf ein bischen Frühstück, dann suchen wir uns einen netten Platz um noch ein bischen Schlaf nachzuholen. Als wir nach unserem Picknick aufwachen, trauen wir unseren Augen kaum, als plötzlich ein anderes Tandem aus der Gegenrichtung herangerollt kommt. Die beiden stellen sich als Maggie und Chris aus England vor (Link). Die armen Briten waren gerade auf dem Weg nach Tibet an einem Kontrollposten, an dem Sie Ihre Pässe nicht mehr in Ihrem Gepäck gefunden haben. Deshalb müssen Sie nun nach Kashgar zurückkehren, um den Verlust Ihrer Pässe zu melden, und um sich neue aus Peking von Ihrer Botschaft zu besorgen. Wir bemitleiden die beiden ein wenig, und sind froh, dass zumindest wir beiden nach einer netten Unterhaltung in Richtung Tibet weiterfahren können. Noch ahnen wir nicht, was uns noch bevorsteht.

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Westchina - Was steht wohl auf dieser Polizeipropaganda? Beim Camping: Unsere nassen Sachen trocknen
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Hier sind wir noch im Tiefland, hier weiden noch Kühe. Später werden wir auf tausenden Kilometern höchstens noch Yaks treffen China - Einheimische Frauen am Strassenrand

Schweizer Radelbekanntschaft

Durch wunderbare Landschaft radeln wir ein kleines Flusstal bergauf: Grüne Wiesen vor schroffen Berghängen zeichnen sich vor unseren Augen ab. Wir fahren durch einige kleine Dörfer mit uighurisher Bevölkerung. Hirten treiben ihre Schaf- oder Kamelherden zum nächsten Weideplatz, während die Strasse so langsam immer steiler wird: Es geht zu unserem ersten Pass mit 3300 Metern Höhe. Noch nicht allzu steil im Vergleich zu dem was uns noch erwartet, doch dieser Pass bringt uns schon ganz schön aus der Puste. Erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Passhöhe. Wir haben kaum Zeit, um die eindrucksvolle Aussicht zu geniessen, denn wir müssen schnell auf der anderen Seite ins Tal fahren, um möglichst noch in der Dämmerung einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Nach einigen Kilometern werden wir auch fündig. Es ist schon dunkel, heute sind wir ziemlich spät dran.

Als wir am nächsten Morgen in Ruhe frühstücken, unsere nassen verschwitzten Sachen vom Vorabend trocknen und langsam unser Zelt einräumen, kommen zwei Fahrradfahrer den Berg runter: Sie stellen sich vor als Kurt und Nathalie aus der Schweiz. Wir radeln erst mal ein Stück zusammen weiter. Sie sind aus der Schweiz hierher gefahren und wollen nun auch nach Tibet (Link). Wir haben in etwa das gleiche Tempo, und wir verstehen uns auf Anhieb sehr gut, also bleiben wir fürs erste zusammen. Die Landschaft wird immer beeindruckender: Die Luft ist so klar, dass sich selbst die Gipfel am Horizont gestochen scharf von der Umgebung abheben. Wir radeln unter strahlend blauem Himmel mit Schäfchenwolken. Yaks, Kamele und Schafherden laufen uns über den Weg in diesem langsam schmaler werdenden Flusstal. Abends bauen wir auch zusammen mit Kurt und Nathalie unser Zelt an einer geschützten Stelle auf. Wir alle haben unseren eigenen Rythmus, und es geht einfach am schnellsten, wenn jeder das macht, was er seit Monaten gewohnt ist. Es wird schon sehr kalt, also vershwinden wir am liebsten schnell in unserem hoffentlich bald warmen Zelt.

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Xingjiang, China: Klare Botschaft, auch für Ausländer! Kashgar, Xingjiang, China: Mausoleum
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Das Packen der Radtaschen ist immer eine Fummelei

Xingjiang, China: Von der Taklamakan Wüste rechts ab in Richtung Tibet

geht es erst mal nur bergauf, von ca. 1300m auf 5000m

Auf zum ersten Fünftausender

Der nächste Tag erwartet uns wieder mit strahlend blauem Himmel. Die Landschaft ist schier atemberaubend, so etwas haben wir in unserem Leben bisher noch nicht gesehen. Gezeltet haben wir auf 2800 Metern, nun rollen wir so langsam in Richtung unseres ersten Passes auf dem Weg nach Tibet, der fast 5000 Meter hoch ist, genauer gesagt 4980 Meter. Doch so weit sind wir noch lange nicht, als hinter einer Baustelle auf einmal unsere Hinterbremse nicht mehr funktioniert: Die Schrauben von der Bremsscheibe sind aus der Halterung gebrochen! Wie kann denn so etwas passieren? So ein Mist! Doch zumindest haben wir vorgesorgt, wir haben eine Ersatznabe in weiser Voraussicht mitgenommen. Heute werden wir noch ohne Hinterbremse weiterfahren, es geht sowieso nur Bergauf. Heute Abend wird Benny dann die andere Nabe einspeichen.

Am Ende des nächsten Dorfes ist der erste Kontrollposten auf dem Weg nach Tibet. Zuerst widmen wir uns jedoch einem chinesischen Restaurant, wo wir leckeren Reis und Gemüse essen und uns nochmal für den Pass stärken. Die Chinesische Küche gefällt uns wirklich sehr gut! Doch irgendwann müssen wir dann doch - nach wie vor in Begleitung von Kurt und Nathalie - zum Kontrollposten. Aber unsere Sorge ist überflüssig, es werden mal wieder nur unsere Daten in ein grosses Buch eingetragen, das wahrscheinlich eh niemals in Zukunft je wieder gelesen wird. Erst als wir Abends auf der Suche nach einem Zeltplatz sind, fängt das Fahrrad an, langsam ein bischen nach links zu ziehen. Als wir anhalten, wollen wir unseren Augen nicht trauen! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wie kann es sein, dass man allein an einem Tag soviel Pech hat wie in unserem ganzen Reiseverlauf bisher nicht? Unsere Federgabel ist auf einer Seite komplett durchgebrochen. Dafür haben wir keinen Ersatz mit, das können wir nicht reparieren.

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chinesische Thermounterwäsche

Tandem transport leicht gemacht: Wer behauptet ein Tandem lasse sich

nicht leicht verladen und transportieren wird hier eindeutig eines

besseren belehrt

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Zurück in Kashgar hauen wir uns wieder die Backen voll

Kashgar, Xingjiang, China: Das Hinweisschild am Mausoleum sagt

mal wieder alles?!?

Zurück nach Kashgar

Wir haben keine andere Wahl. Am Morgen unserer Rückfahrt liegt der erste Schnee auf unserem Zelt und wir müssen zurück nach Kashgar und uns Ersatzteile zuschicken lassen. So ein M..! Der Abschied von Kurt und Nathi fällt schwer, denn die beiden sind uns trotz der kurzen Zeit schnell ans Herz gewachsen und wir hatten viel Spass zusammen. Nach dem Frühstück halten wir den Daumen raus und werden recht schnell von einem Kleintransporter voller chinesischer Ingenieure umsonst ca. 30 Kilomter bis nach Kudi mitgenommen. In dem kleinen Dorf stehen viele voll beladene LKW's rum, von denen sich jedoch keiner erbarmt uns mitzunehmen. Wie wir später erfahren, sind sie hoffnungslos überladen und nehmen nach Yecheng niemanden mit- immer wieder verunglücken Laster aufgrund der starken Überladung. Durch Zufall lernen wir einen jungen chinesischen Manager kennen, der uns ein Taxi organisiert, das uns für den happigen Preis von 70 Euro nach Kashgar bringt, von wo aus wir schnellstmöglich Ersatzteile organisieren wollen. Auf der Rückfahrt zählen wir insgesamt 11 Radfahrer, die alle nach Tibet fahren und den Abzweig in Yecheng bis auf wenige fast alle bei Tageslicht gefahren sind. Haben wir uns zu sehr verrückt gemacht?

WWW- Warten, warten, warten

Wieder in Kashgar treffen wir auch das englische Tandempaar Maggie und Chris, denen in der Nähe vom Dorf Kudi die Pässe abhanden gekommen sind. Auch sie müssen warten, da sie Ersatzpässe angefordert haben, und so verbringen wir viele Abende in lustiger Gesellschaft mit gutem chinesischen Bier, der obligatorischen Pommes mit Mayo und englischen Kartenspielen. Denn Chris bringt uns mindestens 6 neue Kartenspiele bei, und unser englischer Kartenspielwortschatz erweitert sich um Begriffe wie suit, spades, clubs und tricks. Zeitweise witzeln wir, ob wir nicht eine Wohngemeinschaft aufmachen, mit einem Tischtennistisch für Benny und einer Kletterwand für Maggie, Chris und Mandy. Jeden Morgen weckt uns die dröhnende Propaganda des chinesischen Militärs, das die westliche Provinz Xinjang fest im Griff hat.

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Westchina - Wir lassen es uns gut gehen während wir auf Ersatzteile warten Kashgar, Xingjiang, China: Mausoleum
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Kashgar, Xingjiang, China: Einheimischer Kashgar, Xingjiang, China: Einheimischer

Frei Uighuren?

Kashgar ist eine äusserlich moderne, saubere Stadt, mit breiten Alleen und unzähligen Einkaufsmeilen, aus denen Technomusik wummert. Auf der Strasse fahren unzählige Taxis und Elektroroller, die per Steckdose betankt werden. In der Stadt selbst sehen wir im Gegensatz zum Land nur wenige Eselskarren. Neben Minderheiten wie Kirgisen, Tadschiken und Usbeken sind die Uighuren die grösste Bevölkerungsgruppe. Sie betreiben oft kleine Geschäfte, verkaufen Obst und Gemüse am Strassenrand, arbeiten als Taxifahrer, Reinigungskraft oder Schuster, während die grossen Geschäfte, Regierungsposten und die Polizei fest in chinesischer Hand sind. Sonja und Martin, zwei deutsche Bekanntschaften, die in Peking chinesisch studieren, übersetzen uns Propagandaschilder, die überall zu finden sind: "Die Armee will euer Bestes. Menschen lieben die Armee und die Armee liebt die Menschen". Wer hätte das gedacht? Auch hören wir von einer existierenden Befreiungsbewegung der Uighuren, ähnlich wie die der Tibeter. Dass China ein Militärstaat ist, zeigt uns nicht nur die Propaganda, sondern auch die nicht enden wollenden Militärkonvois, die uns mitten in der Takla Makan überholten. Wo die wohl hin wollen? Selbst wir sind von der Anzahl ein bisschen eingeschüchtert und wollen gar nicht weiterdenken, was passiert, wenn eine Minderheit wie die Uighuren oder Tibeter mal protestieren sollten.

Wie Tibet werden auch in dieser westlichsten Region Chinas tausende von Hanchinesen angesiedelt um diese Region zu kontrollieren. Drastische Geburtenkontrolle in Form von gewaltam vorgenommenen Abtreibungen bei Frauen wird ebenso durchgeführt. Angeblich nur 50 Prozent der Kinder erhalten Schulbildung und werden oft mit alter Literatur unterrichtet. Mandy sieht mitten im Einkauszentrum einen alten uighurischen Mann scheinbar tot auf dem Rücken liegen, sein Mund voller Erbrochenes, während die Passanten im Restaurant nebenan essen oder einfach über ihn hinwegsteigen. Erst nach einer halben Stunde schafft ihn jemand weg. Die Fassade ist auf auf Hochglanz poliert, doch dahinter brodeln die Kessel der unterdrückten Minderheiten Chinas und der chinesischen Bevölkerung. Unsere Hoffnungen, dass die Olympischen Spiele hier in China viel ändern werden, sinken mit jedem Tag, während so langsam die Vielfalt der Kulturen zu einem chineschen Standartgericht verkocht werden, gewürzt mit Zutaten wie Menschenrechtsverletzungen, Propaganda und Chinesisierung.

Heute ist der Tag der deutschen Einheit. Mandy und Benny trinken hier darauf ein Bier - wir als Ost-Westdeutsches Paar haben ja auch wirklich etwas zu feiern, vielleicht hätten wir uns sonst nie kennen gelernt. Endlich ist zum Tag der deutschen Einheit auch unser Tandem fertig zum Weiterfahren, denn am zweiten Oktober haben wir Dank unseres grossartigen Sponsors Hase Bikes unser Paket mit Ersatzteilen in Empfang nehmen können. Wir sind schon total heiss darauf, endlich loszufahren, und werden morgen früh endlich in den Bus springen, um da weiterzumachen, wo unsere letzte Etappe mit dem Fahrrad aufgehört hat. Tibet kann kommen - die zweite - hoffentlich geht dieses Mal alles gut!

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Kashgar, Xingjiang, China: Chinesinnen werfen sich in Pseudo-Tracht

Kashgar, Xingjiang, China: Der Jungkommunist wird schon

früh indoktriniert

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Kashgar, Xingjiang, China: Leckere Reife Granatäpfel

Kashgar, Xingjiang, China: Wir treffen auf 10 lustige Norweger die mit

einem Bus hier her gefahren sind

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Der berühmte wöchentliche Tiermarkt in Kashgar
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Tiermarkt, Kashgar: Dem neuen Besitzer wird noch bei der Verladung geholfen
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Buntes Treiben am Tiermarkt in Kashgar, China
 
 
 
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